Gefunden unter: https://de.indymedia.org/node/18195; Veröffentlicht am 22.2.2018
Nach mehr als 16 Jahren schafft die Stadt Osnabrück endlich, was sie 2002 und 2012 nicht schaffte: Straßen, die nationalsozialisitische Namenspatronen haben, werden umbenannt. Doch dieser Weg war (und ist) lang und das Ergebnis nicht immer so, wie es der ,Friedensstadt‘, die ihren Titel so gerne vorschiebt, ihrem Namen entsprechend zu Gesicht stehen würde.
Schon 2014 machte die Initiative für geschichtliche Verantwortung Vorschläge, um denjenigen zu gedenken, die im Nationalsozialismus zu Opfern der menschenverachtenden Weltanschauung wurden und nicht denen ein Denkmal zu setzen, die begeistert mitmachten [https://www.hasepost.de/bekommt-peter-hamel-eigene-strasse-in-osnabrueck-7622-7622/] So besuchten Aktivist*innen der Gruppe auch zwei Informationsveranstaltungen, auf denen die Bürger*innen über die alten Straßennamen und ihren mörderischen Namensgebern aufgeklärt wurden sowie eigene Vorschläge einreichen konnten.
In der Atter-Kirche stellten sich Mitarbeiter*innen der Stadt, sowie ein Historiker, wenigen Anwohner*innen, ihren Fragen und ihrer deutschtümelnden Haltungen. Zunächst sollen die Ergebnisse der Recherche des Historikers präsentiert werden, um im Anschluss Namensvorschläge durch die Anwohner*innen anzunehmen. Dabei wurde der durch die Stadt beauftragte Historiker durch einzelne Anwesende schickaniert: Während des Vortrages taten sich einige Anwesende immer wieder dadurch hervor, durch lautes, wütendes Gerede, den Fachvortrag zu unterbrechen. Inhalt waren zumeist belanglose Beschwerden über die Qualität von vorgelegten Dokumenten der Zeit von 1933-1945, die zweifelsfrei belegen, dass der damalige Bürgermeister von Atter, Bergerhoff, nach dem die Straße benannt ist, überzeugter Nationalsozialist war und ihm somit die Ehre der Straßenpatronage nicht zuteil werden darf. War die Qualität der Dokumente den Wutbürger*innen überzeugend genug, wurde schlichtweg deren Echtheit oder die Kompetenz des Vortragenden infrage gestellt. Immer wieder wurden im Anschluss das große Engagement des Nazis und seine Verdienste um den Stadtteil hervorgehoben. Auch eine Unterschriftensammlung von ca. 300 Atteraner*innen, die nach Kriegsende eine schnelle Freilassung aus dem Internierungslager erwirkt hatte, wurde als Beweis angeführt, dass Herr Bergerhoff ja schon gar nicht so schlimm gewesen sein konnte. Der Hinweis, dass diese 300 Unterschriften sicherlich nicht von Verfolgten des Nationalsozialismus stammten, die, selbst wenn sie es gewollt hätten, dank der Massenmorde nicht dazu in der Lage gewesen wären, Persilscheine für Täter*innen und ihre Unterstützer*innen zu fordern, wurde zwar zur Kenntnis genommen, konnte jedoch die Anwohner*innen nicht umstimmen. Was bleibt, sind Anwohner*innen, die 12 Jahre Arbeit für den Nationalsozialismus gar nicht so schlimm finden und interessierten Zuhörer*innen, die Kritik an diesem Apologetentum üben, bedeutungsschwanger mit dem Satz verabschieden: „Wir werden uns schon noch wiedersehen!“ Schlimmer geht immer: Die darauffolgende Informationsveranstaltung für die Anwohner*innen der Carl-Diehm-Straße in der Wüste hatte vom Geschichtsrevisionismus bis offenem Rassismus alles zu bieten, was eine Friedensstadt vorzuweisen hat. Carl-Diehm, Sportfunktionär des NS, Antreiber zum ,Volkssturm‘, ist Namenspatron einer Straße in der hinteren Wüste. Ebenfalls wenige Menschen fanden sich zur Informationsveranstaltung der Stadt ein, um seine deutsche Ehre zu verteidigen. Die grundsätzlich feindselige Stimmung, die schon auf dem Lande zu spüren war, wurde in der Wüste noch herber: Als ein anwesender Mensch, der sich als nicht-Anwohner zu erkennen gab, Kritik daran übt, dass einem Nationalsozialisten mit der nach ihm benannten Straße ein Denkmal gesetzt wurde, wurde er kurzerhand als Asylant beschimpft, der gar nichts zu sagen habe. Die ideologische Nähe zu seinem Namenspatron hat der Anwohner somit mit Bravour bewiesen. Im Laufe der sich entspinnenden Diskussion wurde schließlich Geschichtsrevisionismus betrieben, der noch immer salonfähig ist und sich faktenresistent gibt: Der Krieg sei kein Angriffs- und Vernichtungskrieg der Deutschen, sondern ein Akt der Selbstverteidigung gewesen. Nachdem die Anwohner*innen, die diese Meinung vertraten, nicht mehr weiter wussten, wurde schließlich noch der Mythos des Zwanges zum Mitmachen ausgepackt und in typischer Täter*innen-Opfer Umkehr in die Runde gefragt: „Was hättet ihr denn gemacht?“ Erklärtes Ziel der Anlieger*innen war, die Straßenumbenennung zu verhindern, da sie „von Außen gesteuert“ sei und mal wieder die armen Deutschen unterdrücke. Ein Vorschlag war, dass man den Namen belassen sollte, da er ja schlicht als Mahnmal statt als Ehrung angesehen werden könne; mit dieser Argumentation könnte mensch noch heute fröhlich über die Adolf-Hitler-Straßen und -Plätze dieser Lande flanieren. Einerseits waren sie mit der Verhinderung der Umbenennung nicht erfolgreich, jedoch bleibt abzuwarten, für welche Namen sich die Stadt entscheidet. Im Sinne einer Erinnerung der Opfer liegt immerhin ein Vorschlag seitens der Atteraner*innen für die Giesbert-Bergerhoff-Straße vor: Frida-Schröer wurde 1943 Opfer der Krankenmorde und wurde vom Bürgerforum Atter vorgeschlagen. Gegenvorschlag, der den Verteidiger*innen der deutschen Ehre wohl besser passen würde, ist der Namenspatron Hermann-Siegert, der sich (wie ja, nach Aussagen der Wütenden, auch Giesbert-Berger-hoff) „für das Gemeinwohl des Stadtteils sowie dem SV Atter“ (NOZ vom 08.02.) einsetzte. Anstelle von Sturmbannführer Röper schlägt die Stadt den Namen „Färberweg“ vor, ganz in Tradition der Werkssiedlung der FA Hammersen; auch hier müssen Anwohner*innen also wohl keine Belästigung durch nicht-arische Namensgeber*innen fürchten. Die dritte Umbenennung fällt ebenso diplomatisch (aus sicht der Stadt) aus: entweder sie folgen dem Vorschlag der Anwohner*innen, die Straße in „An der Moorweide“ umzubennen, oder es wird die „Heinrich-Schucht-Straße“, dem Gründer des Vorläufers des OSC, der „Gründervater des republikanischen Männer-Turnvereins“. Glück gehabt, liebe Anwohner*innen; immerhin kein Opfer und immerhin keine Frau.