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Wer von Krieg redet, darf von Kapitalismus nicht schweigen!

Jetzt ist…

…es bittere Realität. Die USA haben mittlerweile alle diplomatischen Bemühungen, sich im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Absolution für eine endgültige Invasion des Irak zu verschaffen über Bord geworfen. Sie führen nun, im Militärbündnis mit Großbritannien als Hauptakteure den dritten Krieg innerhalb von nur rund zwanzig Jahren, gegen das praktisch bereits ausgeblutete Land.
Das Agieren vorbei an der UNO, die ohnehin längst zu einem Instrument der weltweiten imperialistischen Intervention verkommen ist, hat in der momentanen Situation nicht seine Premiere. Als 1999 Jugoslawien ohne Mandat der Vereinten Nationen bombardiert wurde, war der Weg eines offenen Bruches des Völkerrechts bereits beschritten. Maßgeblich wurde das Vorgehen damals von der rot-grünen Bundesregierung mitgetragen, die damit den ersten Angriffskrieg von deutschem Boden seit 1945 in die Tat umsetzte.
Auch in der jetzigen Situation verhält sich Deutschland, allen pseudo-pazifistischen Lippenbekenntnissen zum Trotz, passiv und aktiv kriegstreiberisch. Wurden in den Vorkriegsmonaten noch diverse Anstrengungen unternommen, die drohende Gefahr einer Kriegsaggression gegen den Irak abzuwehren und verschärft Front gegen den US-Imperialismus zu machen, setzt Rot-Grün nunmehr alles daran, sich ein möglichst großes Stück vom Kuchen Irak zu sichern. Die Vorbereitungen dazu laufen parallel schon mindestens ebenso lange wie die Abwehrhaltung gegen den Krieg, der die deutschen Kapitalinteressen im Irak gefährdet, auf diplomatischem Parkett. Jetzt ist der Krieg bittere Realität und Deutschland ist dabei.

Aufbauen und umstürzen
Ende der 70er Jahre stieg der Irak zum zweitgrößten Öllieferanten der OPEC-Staaten auf. Der wichtigste westliche Handelspartner zu dieser Zeit war Frankreich, das im Gegenzug, zu lukrativen Aufträgen und günstigem Ölimport den Irak u.a. mit Atomtechnologie ausstattete. An der Aufrüstung Iraks beteiligten sich, bzw. profitierten außerdem Russland, die USA und Deutschland, das aufgrund der Nachkriegsordnung restriktiveren Exportbedingungen als seine europäischen Nachbarn unterlag – diese aber durch deutsch-französische Gemeinschaftsproduktionen unterwanderte.
Nach dem Machtwechsel im Nachbarstaat Iran 1979 wurde das reaktionäre Regime Husseins als Gegenpol dazu militärisch hochgepäppelt. Weder irakische Giftgasangriffe auf den Iran, noch das durch deutsches Giftgas Verursachte Massaker an der kurdischen Bevölkerung in Halabja (Nordirak) 1988, scherte die mit dem Irak in geschäftlicher Verbindung stehenden Staaten. Erst die Annexion Kuwaits 1990 läutete eine schnelle Wende in der bisherigen Irakpolitik ein: Hussein war zum Unsicher­heitsfaktor geworden, da er von seinem Potential, die internationalen Ölmärkte zu beeinflussen, Gebrauch machte.
Unter der mit George Bush Senior eingebrachten Doktrin der ,,neuen Weltordnung“ konnte im 2. Golfkrieg ein schneller Sieg der USA verbucht werden. Ab jetzt setzten sie die ökonomische Kontrolle über den Irak in Form eines bis heute andauernden Wirtschaftsembargos, an dem nach UN-Berichten schon eine Millionen Menschen gestorben sind, durch. Die politische Kontrolle sicherten sie sich über die Installation einer ,,Schutzzone“ im Norden Iraks, als Sammelbecken oppositio­neller Kräfte und die militärische Kontrolle über die konti­nuierliche Präsenz ihrer Truppen vor Ort. Ungefähr zwei Drittel des Landes wurden zu Flugverbotszonen erklärt, in denen sich kein irakisches Flugobjekt bewegen konnte, ohne Gefahr zu laufen umgehend abgeschossen zu werden.
Solange die ,,Politik der Eindämmung“ funktionierte, gab es kein Interesse an einem Sturz Saddam Husseins. Mitte der 90er Jahre geriet die Irak-Politik der USA schließlich verstärkt unter Druck. Die irakische Bevölkerung, wurde durch das Embargo und Husseins Aufrüstungspolitik vollkommen ausgehungert.
Dies nutze dieser wiederum propagandistisch aus, was die europäischen Staaten, denen eine Rückzahlung von Schulden in Milliardenhöhe aus dem Irak noch ausstand, aufgriffen, um eine Aufweichung des Embargos zu erwirken. Der Verzicht auf diese noch ausstehenden Schulden sicherten Frankreich – daran angekoppelt der BRD – und Russland höchst profitable Exportgeschäfte. Der Irak konnte wieder aufrüsten und die USA sahen ihre Stellung durch die Europäer mehr und mehr gefährdet. Ausdruck dieser Entwicklung kann u.a. auch darin gesehen werden, dass der Irak im Jahre 2000 seine Außenhandelswährung von Dollar auf Euro umgestellt hat. An vorderster Front stehen in diesem Zusammenhang deutsche Unternehmen, die wenigstens bis vor kurzem noch das Embargo gegen den Irak umgingen und auf einer Wirtschaftsmesse im November 2002 in Bagdad massiv präsent waren.

Wenn sie von Frieden reden…
Schon zu Wahlkampfzeiten war eine immer offenere Rivalität der alten und neuen Bundesregierung gegenüber den Vereinigten Staaten zu spüren, die sich zwischenzeitlich so weit hochschaukelte, dass man dort bereits von ,,vergifteten“ Beziehungen der beiden Länder sprach. So begründete Bundeskanzler Schröder seine ,,Kriegsgegnerschaft“ auf einer Münchner Kundgebung am 28.8.2002 so: ,,Freundschaft ja, Unterordnung nein“ und ,,Auf einer Tankstelle führt man keinen Krieg“. Nach den Wahlen vom 22. September rückte Rot-Grün Stück um Stück von ihren, immerhin rhetorisch so konsequent vorgebrachten, Positionen ab. Als erstes war von einer Entlastung der USA in Afghanistan (zugunsten ihrer Kapazitäten für den Irak-Einsatz) die Rede, dann war die kriegsvor­bereitende Nutzung von deutschem Luftraum und Militärbasen auf deutschem Boden auf einmal eine aus Bündnis­verpflichtungen hervorgehende Selbstverständlichkeit. Die an der irakischen Grenze in Kuwait stationierten Spürpanzer der Bundeswehr sollten erst dort verbleiben, dann doch (zumindest nach einem Lippenbekenntnis Schröders) abgezogen werden und schließlich sogar, falls es zu Kriegshandlungen in diesem Gebiet kommen sollte gegen den Irak eingesetzt werden. Auf einmal scheint alles möglich: deutsche AWACS-Flugzeuge inklusive Besatzung patrouillieren an der türkischen Grenze zum Irak und koordinieren von dort aus Bombardements. Für einen Folgeeinsatz im zerstörten Irak hat Deutschland seine Bundeswehr auch unlängst vormerken lassen.
Deutschland wollte diesen Krieg nicht. Zumindest nicht im Moment und nicht im Irak und vor allem nicht von den USA dominiert. Deutsche Konzerne pflegten beste Handelsbeziehungen zum Irak und es bestand kein Interesse, sich diese geschaffene Grundlage des Kapitalexports durch einen erneuten Krieg wieder zunichte machen zu lassen.
Aus diesem Grund und keinesfalls aus einem neuerdings wieder vorgeschobenen friedensliebendem Anliegen, stemmten sich alle Kräfte des deutschen Imperialismus gegen eine US-amerikanische Aggression gegen den Irak. Seit einiger Zeit fährt Deutschland verschärft den Kurs einer neuen deutschen Souveränität, die ihre Macht- und Profitinteressen weltweit wieder, nicht nur politisch-diplomatisch und ökonomisch, sondern auch und gerade militärisch durchsetzten will und auf dem besten Wege dazu ist. International stellt Deutschland mit über 10.000 Soldaten, nach den USA das größte Truppenkontingent. Etwa 65.000 Bundeswehrsoldaten sind dauerhaft, durch Nach-, Vorbereitung, sowie direkten Einsatz in Auslandseinsätzen gebunden. Unter Rot-Grün beteiligte Deutschland sich zum ersten Mal seit 1945 wieder an einem Angriffskrieg. Für den Krieg im Kosovo erklärte Außenminister Joseph Fischer ,,nicht trotz, sondern wegen Auschwitz“ den Holocaust zur Legitimation für eigene Militäreinsätze. Mit dieser Umdeutung in die neue Geschichtsschreibung und der Verlagerung des gekränkten ,,Volksgewissens“ ins Ausland gelang nicht nur eine perfidere Verharmlosung des Holocaust, als durch seine dumpfe Verleugnung – gleichzeitig war ein Weg gefunden, sich der Greuel der eigenen Geschichte zu entledigen. Der spezifisch deutsche Weg besteht darin, in den Chor der ,,friedensschaffenden Maßnahmen“ und ,,humanitärer Einsätze“ als geläuterter Friedensengel einzustimmen, der aus den Lehren des Faschismus gelernt habe und als ,,erwachsene Nation“ (Schröder) konsequent die volle Verantwortung auch und gerade für Krieg zu übernehmen. Es folgten diverse Einsätze deutschen Militärs, u.a. in Mazedonien und Afghanistan.
In der Zeit, als sich Deutschland eine direkte militärische Kriegsbeteiligung noch nicht erlauben konnte, setzte es seine Interessen noch verstärkter auf dem Wege der Diplomatie und der wirtschaftlichen Beziehungen, gerade auch mit dem Irak, durch.
Immer mehr deutsche Firmen nahmen ihre Schadens­ersatzforderungen aus dem letzten Golfkrieg zurück und handelten sich damit lukrative Neugeschäfte mit dem Irak ein. (Deutsche Exporte in den Irak betragen im Jahr 1997: 21,7 Mio.; 2001: 336,5 Mio. und im 1. Halbjahr 2002 bereits 226,2 Mio. Euro)
Der Krieg gegen den Irak stößt deshalb auf deutschen Widerspruch, weil dessen logische Konsequenz eine Vernichtung der deutschen Kapital-Verankerung im Irak zur Folge hat, die eine Schwächung der eigenen Macht bedeutet. Dies schließt, unter den gegebenen Umständen allerdings eine deutsche Beteiligung nicht aus. Ganz im Gegenteil. Deutschland ist nun unter Zugzwang geraten, sich in irgendeiner Form ein möglichst großes Stück des Kuchens zu sichern.
Nur so ist die deutsche Taktiererei zwischen Krieg und Frieden zu verstehen.

…meinen sie Krieg!
Inzwischen hat sich eine breite internationale Friedens­bewegung entwickelt. Zu diversen Zeitpunkten waren weltweit viele Millionen Menschen auf der Straße um gegen die Agression gegen den Irak zu protestieren.
Die Welle von Antikriegs-Manifestationen in Deutschland bewegt sich maßgeblich im Fahrwasser des deutschen Imperialismus, der sich selbst als zivilgesellschaftliche Alternative zur Großmacht USA darstellt. Der von weiten Teilen der deutschen Friedensbewegten und von annähernd der gesamten Gesellschaft getragenen Antiamerikanismus, der von den ,,linken“ Feuilletonisten bis zu den rechten Stammtischen reicht, bedient diese Ablenkungsmanöver deutscher ,,Friedensinteressen“, die eigentlich nur der konsequente Ausdruck der Lage der deutschen Profitinteressen sind.
Die Kritik an der Politik der USA ist nicht zu verwechseln mit einer Kritik der kapitalistischen Gesellschaft an sich. Vielmehr handelt es sich um einen Amerikahass, der das ,,kulturelle Erbe Europas“ dem ,,angloamerikanischen Kommerzgedanken“ gegenüberstellt, und der die ,,gerechten“ Großmachtambitionen Deutschlands den ,,trügerischen“ der USA entgegensetzt. Oder der in seiner dumpfesten Variante, offen antisemitischen Wahnvorstellungen vom jüdisch-dominierten, kulturlosen Schmelztiegel nachhängt.
Dagegen stellen wir die Losung: Der Hauptfeind steht Im eigenen Land!
Es gilt, ohne das reaktionäre Regime im Irak und die imperialistischen Interessen der USA aus der Kritik zu nehmen, Deutschland als eigenständigen Kriegsherd zu enttarnen, zu kritisieren und zu bekämpfen. Diese Kämpfe können nicht so aussehen wie die momentanen der deutschen Friedensbewegung, die in weiten Teilen lediglich der Politik der deutschen Regierung blind nachtrabt, ihr den neu entdeckten Friedenswillen aus den Händen frisst und damit letztendlich ihren imperalistischen Bestrebungen entspricht. Jetzt, wo der Krieg zur Tatsache geworden ist, wird der Spagat Deutschlands zwischen Wort und Tat, zwischen Krieg und Frieden noch offensichtlicher werden als schon bisher. Denn jetzt ist der Krieg bittere Realität und Deutschland ist dabei.