Wer die AfD wählt, wählt den Wolf im Schafspelz!
Einfluss evangelikaler Christen bei der AfD Osnabrück
Vor zwei Wochen veröffentlichte das Nachrichtenmagazin KONTRASTE der ARD einen investigativen Bericht über ‚Das evangelikale Netzwerk der AfD‘ (1) und nahm dabei besonders den Osnabrücker AfD Bundestagsabgeordneten Waldemar Herdt ins Visier.
Waldemar Herdt ist 1962 in Kasachstan geboren, Bauunternehmer und wohnt 30 Kilometer von Osnabrück entfernt direkt an der Kreisgrenze, in Neuenkirchen-Vörden. Er lebt seit 1993 in Deutschland und wird nicht müde zu erzählen, wie arm dran er war und wie schwer seine Vergangenheit war.
Herdt wurde 2016 in den Gemeinderat von Neuenkirchen-Vörden und seit 2017 über die Landesliste der AfD Osnabrück in den Bundestag gewählt. Dort ist er Mitglied im Auswärtigem Ausschuss, Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft sowie stellvertretendes Mitglied im Haushaltsausschuss. Außerdem ist er stellvertretender Landesgruppensprecher der AfD-Landesgruppe Niedersachsen, Gründungsmitglied der Gruppe „Vertriebene, Aussiedler und deutsche Minderheiten“ innerhalb der AfD-Fraktion, stellvertretender Sprecher des AK Religionspolitik in der AfD-Fraktion, Mitglied der deutschen Delegation in der IPU (Interparlamentarische Union), Mitglied der deutschen Delegation in der Ostsee-Parlamentarier-Konferenz und ist Beisitzer im AfD-Kreisvorstand Cloppenburg-Vechta. Innerhalb des Vereines „Christen in der AfD e.V.“ ist er einer der beiden Sprecher der Region Nord (umfasst die Bundesländer Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen). Waldemar Herdt ist weiterhin Mitglied des Koordinierungszentrums der Russlanddeutschen „Für die Deutsche Heimat!“ und hat Vertretungsvollmacht vom internationalen Konvent der Russlanddeutschen (2). Bevor Herdt innerhalb der AfD Karriere machte, war er stellvertretender Bundesvorsitzender der Partei Bibeltreue Christen (PBC).
Aufbauend auf den Bericht von Kontraste veröffentlichte die TAZ weitere Rechercheergebnisse über Herdt (3) mir dem Titel „Predigt von ganz rechts“ und nahm dort auch die Rolle von Herdt innerhalb der Osnabrücker Freikirche Lebensquelle in den Fokus. Diese rückte bereits 2013 in die regionale und überregionale Wahrnehmung. Zusammen mit der ZION GmbH erwarb die Lebensquelle ein riesiges Industrieareal rund um den Osnabrücker Güterbahnhof, um dort einen Tempel zu errichten, welcher mit über 1000 Sitzplätzen eine höhere Kapazität versprach als der Osnabrücker Dom. Außerdem wollten sie dort „soziale und religiöse Angebote“ schaffen. Mit diesen Plänen wurde die Lebensquelle zum Stadtgespräch. Die Politik und Menschen der Stadt wollten mehr über die Lebensquelle erfahren. Die Recherchen brachten immer mehr fundamentalistische Abgründe zum Vorschein. Eine einstündige Dokumentation des Osnabrücker Journalisten Marcel Trocoli Castro gab einen tiefen Einblick in eine Glaubensgemeinschaft, die nur das akzeptiert, was in ihr Weltbild passt (4). Alles andere wird unterdrückt und bekämpft. Aussteiger*innen werden verfolgt, das Ausleben von Homosexualität wird als Sünde bestraft und es wird versucht, diese durch menschenunwürdige Methoden auszutreiben. 2013 und 2014 organisierte die Lebensquelle am Osnabrücker Hauptbahnhof öffentliche Gottesdienste mit viel poppigem Singsang und Amen. Bei einem als Gegenprotest zu verstehenden Kiss-In kam es zu körperlichen Übergriffen seitens der Teilnehmer*innen der Veranstaltung – genau in dieser Gemeinschaft ist Waldemar Herdt Pastor und war zudem Projektleiter für das geplante „Friedenszentrum“ am Güterbahnhof. Für seine homophobe Politik hat Herdt mit der AfD einen parlamentarischen Arm gefunden. In einem NOZ Interview sagt er: „’Politik ist für mich ein Werkzeug, um etwas erreichen zu können[…].‘ Bei den Nationalkonservativen habe er dafür eine Heimat gefunden, die seinem Weltbild entspreche.
Auf einer Brasilienreise 2018 traf Herdt etliche Vertreter*innen verschiedener evangelikaler Freikirchen. Ein geplantes Treffen mit dem Sohn des Präsidenten Bolsonaro konnte aus organisatorischen Gründen nicht stattfinden. Stattdessen fand ein Treffen mit dem ehemaligen Bürgermeister von Rio de Janeiro, Marcelo Crivella, statt. Ebenfalls besuchte Herdt den Abgeordneten Marco Feliciano, der als wichtigstes Bindeglied zwischen Freikirchen und Politik gilt und mehrfach mit rassistischen und homophoben Äußerungen in Kritik stand. Herdt sagt dazu nur: „Man kann jeden mit Dreck beschmieren.“ Außerdem habe er vorher keine genaue Recherche über seinen Gesprächspartner gemacht. 2019 nahm Herdt am ‚Prayer Breakfast‘ im Weißen Haus teil, was als wichtigste Lobbyveranstaltung christlicher Interessensgemeinschaften in der USA gilt (3).
Neuenkirchen-Vörden, der Wohnort von Herdt, gilt als regionale Hochburg evangelikaler Christen. Sie prägen das Stadtbild, sitzen in kommunalen Gremien und engagieren sich ehrenamtlich. Ähnlich wie am Güterbahnhof wollte er 2015 dort ein Mehrgenerationenhaus nach seinen christlichem Weltbild errichten. Der Gemeinderat lehnte dies ab. 2017 bot er der AfD Niedersachsen sein Anwesen als Austragungsort für einen außerordentlichen Parteitag an.
Wie weitreichend der Einfluss sogenannter russlanddeutscher Evangelikaler in die AfD Osnabrück ist, zeigt der vergangene AfD Parteitag am 24. April 2021 in Fürstenau (Landkreis Osnabrück und nur wenige Kilometer von Neuenkirchen-Vörden entfernt). Die Gaststätte, in dem der Parteitag stattgefunden hat, wird von einem Spätaussiedler betrieben. Selbiger distanziert sich später, nach Rückfrage und Kritik, von den Inhalten der AfD. Kurz vor diesem Parteitag kam es innerhalb weniger Wochen zu einem regelrechten Ansturm sogenannter Spätaussiedler in die AfD. Die Aufnahmegespräche fanden in Neuenkirchen-Vörden statt. Auf diesem Parteitag wurde Roland Lapinskas mehrheitlich zum Direktkandidaten der AfD Osnabrück für die Bundestagswahl gewählt. Lapinskas ist ebenfalls in einer (anderen) Freikirche namens ‚Neue Generation Osnabrück (nGO)‘ engagiert. Mit der Aufnahme der neuen Mitglieder und der Wahl Lapinskas wird der Einfluss in der AfD untermauert und bietet ein Fundament für menschenverachtende, homophobe und LGBT+ feindliche Politik, sollte die AfD erstmals in den Rat der Stadt Osnabrück einziehen bzw. die Mandate im Landkreis verlängert werden.
Antifaschistische Aktion Osnabrück [AAOS] im September 2021