Für Samstag, den 17. November 2007 meldete die NPD eine Wahlkampfkundgebung in Georgsmarienhütte auf dem ‚Roten Platz’ an. Anmelder war Christian Fischer aus Vechta (Informationen über Christian Fischer und anderen Nazis aus der Region sind auf unserer Homepage ausreichend vorhanden)1. Diese Information erreichte uns etwa zwei Monate vorher. Nach verschiedenen Gesprächen mit unterschiedlichen Menschen und Gruppen wollten wir zu einem öffentlichen Bündnis nach Georgsmarienhütte einladen und erfuhren, dass ein solches Treffen bereits geplant war. Zu diesem Treffen wurden wir eingeladen und nahmen teil. Dieses fand am 15. Oktober im Gemeindehaus der ‚Peter und Paul Kirche’ statt.
An dem Treffen nahmen leider nur etwa 15-20 Personen teil. Zusammen wurden verschiedene Ideen und Konzepte überlegt, wie gegen die Kundgebung vorzugehen ist. Neben einer absolut schwachsinnigen Idee einer Geisterstadt und der „Ignorieren wir sie, nimmt sie auch keiner wahr“ Strategie waren auch durchaus „kreative“ Ideen im Gespräch, unter Anderem eine ortsnahe Kundgebung zur gleichen Zeit. Es wurde über Inhalte dieser Kundgebung gesprochen. Diese waren u.a. Auftritte von Schulbands, des Posaunenchors und Redebeiträgen. Ausdrücklich wurde gewünscht, dass die Gegenkundgebung nicht zu einem eigenen wahlpolitischen Geschehen, der anwesenden Parteien, werden solle.
Natürlich wurde auch über das Verhalten gegenüber der Presse gesprochen. Bei einem zu großem Pressewirbel sah man die Gefahr, dass sich die Nazis aufgewertet fühlten und mit noch mehr Leuten anreisen würden. Außerdem würde die Bevölkerung von Georgsmarienhütte die NPD Kundgebung, bei zu früher Bekanntgabe im Vorfeld, am 17.11. bereits vergessen haben. Schon interessant, was die Vertreter_innen der örtlichen Gruppen ihren Bürger_innen so zutrauen. Es wurde sich darauf geeinigt, dass erst sehr kurzfristig vor der Kundgebung die Gegenproteste durch die Medien veröffentlicht werden sollten. Dieses hatte ein faktisches Presseverbot der Bündnisteilnehmer_innen zufolge.
Besonders in ländlichen Kommunen, wie auch in Georgsmarienhütte, gibt es einen sog. Präventionsrat. Dieser tagte ein paar Tage später. In diesem Präventionsrat sitzt neben Vertreter_innen von Parteien, Organisationen natürlich auch die Polizei. Das Bündnis wollte das Treffen des Präventionsrates abwarten und beim nächsten gemeinsamen Treffen über weitere Konzepte sprechen.
In Anbetracht der Tatsache, dass auch die Antifa an dem Bündnis teilnahm, wurde mehrmals ausdrücklich auf den friedlichen Charakter des Bündnisses und der Proteste hingewiesen. Wir haben nie eine andere Absicht in Betracht gezogen und uns auch nie gegen diesen Charakter geäußert. Trotzdem fühlten sie sich genötigt, dieses auffällig häufig zu äußern. Auf Nachfrage, wo denn die anderen interessierten Menschen und Gruppen wären, wurde festgestellt, dass sie nicht eingeladen wurden. Dieses sollte zum nächsten Treffen zwei Wochen später (am 29. Oktober) geschehen bzw. nachgeholt werden.
Beendet wurde das Treffen mit der Bitte in den beteiligten Gruppen weitere Ideen von Protestformen und Inhalten zu diskutieren und die Ergebnisse beim nächsten Treffen zusammen zutragen. Interessant ist noch, dass zeitgleich mehrere Nazis, 500 Meter weiter entfernt, menschenverachtende Flugblätter mit der Überschrift „Kein Multikulti“ verteilten und Unterschriften sowie Adressen für ihr faschistisches Wahlprogramm sammelten. Mit dabei, wie fast immer, war Ulrich Plate aus Bramsche-Pente, der auch Beisitzer im Landesverband der NPD Niedersachsen ist. Erstaunlicherweise, oder auch nicht, fanden sie bei der Georgsmarienhüttener Bevölkerung auffälligen Zuspruch. Obwohl dem Bündnis dieses bekannt war, sah es sich nicht in der Lage, unmittelbar zu handeln und den Nazi mitzuteilen, dass sie nicht erwünscht seien. Lieber wurde weiter über die Nazis gesprochen ohne die Chance zu nutzen, gleich aktiv zu werden.
Zu dem zweiten Treffen am 29. Oktober 2007 im Gemeindehaus der ‚König Christus Kirche’ erschienen erfreulicher Weise etwa 40 Teilnehmer_innen, darunter auch ein Pressevertreter, auf den später noch eingewirkt wurde nichts zu veröffentlichen. Gastgeber und Sitzungsleiter war hier der örtliche Pastor Dieter Selige. Er stellte eine vorgefertigte Tagesordnung vor. Wie selbstverständlich war plötzlich die Rede von einer zeitlich versetzen und entfernten Demonstration und in der Folge wurde fast ausschließlich über die Organisation dieser Demo gesprochen. Auch eine Anmerkung des Vertreters der ‚Grünen’, dass ja eigentlich noch gar nicht abschließend über eine Demo entschieden wurde, sondern mehrere Formen zur Diskussion standen, fand kein Gehör bzw. wurde als Einzelmeinung abgetan. Eine Demonstration sei eine Empfehlung des Präventionsrates (besonders durch die Polizei, die die Lage so besser einschätzen könne) und so wurde es auch gemacht. Die Demonstration sollte um 11 Uhr mit einer Kundgebung an der Realschule beginnen und dann zum Roten Platz führen. Ankommen sollte sie dort erst, nachdem die Nazis Georgsmarienhütte verlassen haben. Pastor Selige spricht später davon, dass der Platz wieder für die demokratischen Parteien eingenommen werde. Enden sollte die Demo mit einem anscheinend unvermeidlichen ökumenischen Gottesdienst.
Nach einer langen und nicht enden wollenden Diskussion darüber, wer sich in der Lage fühlt die Demonstration anzumelden, blieb natürlich auch hier die Ansprache des Kirchenvertreters nicht aus, auf die erwarteten unfriedlichen Proteste anderer Teilnehmer_innen (gemeint waren wir) hinzuweisen. „Man würde das aus den Medien kennen“, dass wir (direkte Ansprache) bewusst die Konfrontation mit der Polizei suchen würden. Dieses wäre nicht hinnehmbar und die einzelnen Bündnisteilnehmer_innen gehörten kritisch hinterfragt.
Weiter wurde über Organisatorisches gesprochen. Die Schüler_innenvertretung fühlte sich dazu berufen, das Motto „Bunt statt Braun“ wörtlich zu nehmen und hatte die Idee, sich bewusst übertrieben bunt zu kleiden. Bezeichnend für die gesamte Diskussion wurde dann allerdings befürchtet, dass notwendige Ordner so nicht zu erkennen seien. Alles klar?
Nach wie vor wollte man keine Öffentlichkeit und so wurde auf den Pressevertreter eingewirkt, nichts vor dem 8.11. zu veröffentlichen. Dieser knickte ein und stimmte zu. Spätestens dort wurde uns klar, dass diese Art des Protestes nicht unseren Vorstellungen entspricht. Wir wollten ortsnah, zeitgleich und lautstark gegen die Kundgebung demonstrieren. So entschieden wir uns, zusammen mit anderen Gruppen, für eine eigene Kundgebung am Kirmesplatz und mobilisierten zu dieser. Selbstverständlich folgte dazu umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit. In vielen Internetforen, Homepages und E-Mails war nur die Rede von unserer Kundgebung und wir erhielten viel Solidarität. Dies war die Konsequenz der öffentlichen Zurückhaltung des bürgerlichen Bündnisses. Auffällig war, dass wir großes Interesse und Solidarität auch von Teilnehmer_innen des Bündnisses erhielten. Diese trauten sich anscheinend nicht, ihr demokratisches Gesicht zu gefährden und blieben im Bündnis lieber still und folgten den Vorstellungen des Präventionsrates und besonders der Kirchen- und Politikvertreter_innen.
So folgte am 16. November eine Pressemitteilung in der Neuen Osnabrücker Zeitung, in der sich Helmuth Köhnke von der CDU (Anm: kein politisches Ereignis zum Selbstzweck – soso) und Pastor Selige zu den Protesten äußerten. Mit dieser distanzierten sie sich ausdrücklich von unserer Kundgebung und prognostizierten Randale.
Doch so sollte es nicht kommen. Um 9 Uhr begann die Gegenkundgebung an einem Platz, der etwa 500 Meter von der, eine halbe Stunde später beginnenden NPD Kundgebung, entfernt ist. Es folgten Redebeiträge durch uns, der ‚Antifa Münster’ und der ‚Jugendantifa Kreis Steinfurt’, die Anfang 2009 von dem Wahlschwerpunkt der NPD betroffen sind. Die Redebeiträge können auf unserer Homepage (antifa-os.de) und auf der Homepage des ‚Antifaschistischen Netzwerks Münster- und Osnabrücker Land’ (antifa-netzwerk.de) nachgelesen werden.
Auf Seiten der NPD sprachen Christian Worch, Marcus Winter, Dennis Bühring, Thomas Wullf und Christian Fischer. Die angekündigte Rede von NPD Spitzenkandidat Andreas Molau musste von einem Tonband abgespielt werden. Als die Nazis gegen 11.30 Georgsmarienhütte verließen, um zu ihrer nächsten Kundgebung nach Vechta zu fahren, hatte die Kundgebung/Demo des Bürgerbündnisses gerade erst begonnen. Als die Demo den Roten Platz erreichte, um diesen „einzunehmen“, waren die Nazis bereits eine ganze Stunde verschwunden. Die vorhergesagten Ausschreitungen blieben aus. Stattdessen war „unsere“ friedliche Kundgebung das Einzige, was in Georgsmarienhütte den Nazis entgegengestellt wurde.
Am darauf folgenden Montag veröffentliche die Neue Osnabrücker Zeitung einen Bericht, indem es hieß, dass durch die Bündnisdemo ein „Zeichen gegen rechts und Fremdenfeindlichkeit“ gesetzt wurde. Fatal ist im diesem Artikel allerdings, dass der Einsatzleiter der Polizei, Treusch von Butlar, den Wahlkampfauftakt der Nazis als „Kinderkram“ bezeichnete. Damit spielt er die menschenverachtende Politik der NPD herunter und relativiert die unter dem Deckmantel dieser Partei getätigten Straftaten gegen Menschen, die nicht in ihr rechtes Weltbild passen. Ausländer, Linke, Homosexuelle und Obdachlose sehen sich ihren extrem rechten Taten ausgeliefert, ohne dass Menschen eingreifen. Die durch den Redner Klaus Lang (Arbeitsdirektor der Georgsmarienhütte GmbH – ehemals Klöckner Werke) geforderte Zivilcourage war vermutlich am Samstagabend bereits vergessen. So wie die Tatsache, dass vor der Haustür der Innenstadt, nämlich im Ortsteil Harderberg, seit über zwei Jahrzehnten die NPD ein eigenes Zentrum zur Verfügung hat. Dieses Zentrum wird seitdem für wöchentliche Treffen, Schulungs- und Informationsveranstaltungen sowie Liederabende genutzt. Dabei handelt es sich nicht um kleine unrelevante Veranstaltungen, sondern um, Veranstaltungen für die überregionale Naziszene, hoch bedeutsame Ereignisse. So sind u.a. der verurteilte Rechtsterrorist Peter Naumann und Günther Deckert dort regelmäßig als Gastredner zu Besuch und referieren über verachtenswerte Themen. Zwei äußerst bedeutsame Veranstaltungen in diesem Jahr waren das niedersachsenweite Treffen des ‚Ring nationaler Frauen’ (RNF) und das Zeltlager der ‚Heimattreuen deutschen Jugend’ (HDJ).
Während in Melle der Protest gegen den Kauf des Bahnhofs durch Jürgen Rieger kontinuierlich und recht erfolgreich durchgeführt wird, befriedigt sich der größte Teil der Georgsmarienhüttener Bevölkerung und der Politik damit, vielleicht einmal im Jahr eine Kerze für die Opfer anzuzünden oder alle vier Jahre mal auf die leere Straße zu gehen und zu demonstrieren.
Der Schulleiter der Realschule, Meyer, erklärte auf der Kundgebung: „Wir brauchen die Rechten nicht, weder in GMHütte noch anderswo.“ Leute – Ihr habt sie. Ihr habt viele! Ihr habt sie nicht nur am 17.11. gehabt. Ihr habt sie täglich! Ihr habt sie am Harderberg, auf jeder Kirmes, auf jedem Schützenfest, auf jedem Dorffest, in der Kirche (Bsp. NOZ vom 21.11.: Pastor flieht vor rassistischer Entgleisung), an Euern Stammtischen, in den Schulen, am Arbeitsplatz oder bei der Feuerwehr.
Macht die Augen auf!
1) Berichtigung: Anmelder war nicht Christian Fischer, sondern Markus Pohl.
Antifaschistische Aktion Osnabrück
November 2007
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